Der F1 für die Strasse
top of page

Mercedes-AMG One

Der F1 für die Strasse

9. Juli 2022

Er ist im Wortsinne Formel 1 für die Strasse: AMG hat um den Weltmeister-Motor aus der F1 den Hypercar Mercedes-AMG One entwickelt – mit über 1000 PS und einem Benzin- und vier Elektromotoren!

Dieses Auto hat Mercedes an seine Grenzen gebracht: Einen Formel-1-Renner strassen- und alltagstauglich zu machen ist eben doch etwas schwieriger, als einen Supersportwagen zu bauen. Diesen Aufwand hat Sporttochter AMG auch zeitlich unterschätzt. Doch jetzt ist es endlich soweit: Seit dem 1. Juni 2022 erfüllt der Mercedes-AMG One alle Bedingungen, um auf die Strasse zu dürfen.

Dabei geht es um an sich einfache Dinge wie die Handlichkeit bei niedrigem Tempo, um auch parkieren zu können. Ausserdem musste der Motor auf handelsübliches Benzin umgewöhnt werden, denn Rennsprit gibts nicht an jeder Tankstelle. Und während bei Rennwagen die Abgasvorschriften schlicht ignoriert werden können, müssen die Grenzwerte für Strassenautos eingehalten werden.

Entsprechend aufwendig ist die Abgasbehandlung mit vier vorgeheizten Metall-Katalysatoren, zwei Keramik-Katalysatoren und zwei Otto-Partikelfilter. Und dann kommt da noch ein ganz anderer Punkt hinzu: Dieser F1-Antrieb muss plötzlich tausende Kilometer laufen, ohne dass er jede Sekunde von unzähligen Ingenieuren fernüberwacht wird. Nun muss deren Arbeit eine Software leisten.

Trotzdem braucht der hoch komplexe Antrieb aus einem V6-Benziner und vier Elektromotoren eine besondere Wartung. Wie «Auto Motor und Sport» schreibt, ist alle 50'000 Kilometer ein extra Motoren-Service nötig, bei dem die kritischen Komponenten überprüft und nötigenfalls ersetzt werden. Dieser Service könne umgerechnet bis zu 850'000 Franken kosten, wie AMG bestätigt. Das solle aber das Worst-Case-Szenario sein, falls der ganze Antrieb revidiert werden müsse. Einmal im Jahr oder alle 5000 Kilometer ist ein zusätzlicher Service nötig, bei dem unter anderem alle Flüssigkeiten gecheckt und ausgewechselt werden.

Der 1,6-Liter-V6-Hybrid-Antriebsstrang mit vergleichsweise winzigem Hubraum für einen V6 entspricht laut Mercedes dem aktuellen Formel-1-Triebwerk. Seine Systemleistung beträgt imposante 1063 PS (782 kW). Der V6 alleine kommt mit 574 PS (422 kW) auf über die Hälfte. Zwei E-Motoren treiben die Vorderräder an mit zusammen 326 PS (240 kW). Einer ist mit der Kurbelwelle verbunden: 163 PS (120 kW). Der vierte E-Motor steckt mit 122 PS (90 kW) im Turbolader.

Die Kapazität des Hochvolt-Akkus mit seinen direkt gekühlten Zellen beträgt aber nur 8,4 kWh und verschafft dem One eine rein elektrische Reichweite von immerhin 18 Kilometern. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei abgeregelten 352 km/h, und der Spurt von 0 auf 100 km/h ist in nur 2,9 Sekunden erledigt.

Gestartet wird per Knopf auf der Mittelkonsole – lautlos im Elektromodus. Aufgeweckt werden zunächst die beiden E-Motoren an der Vorderachse und gleichzeitig die Katalysatoren vorgeheizt. Der Verbrennungsmotor springt erst an, wenn jene auf Temperatur sind. Die Kraftübertragung an die Hinterräder übernimmt ein neues, automatisiertes Sieben-Gang-Getriebe. Sechs Fahrmodi sind wählbar – vom rein elektrischen Fahren bis zum Rennstrecken-Modus.

Wie in der F1 ist auch beim Mercedes-AMG One die Karbon-Karosserie für maximalen Abtrieb schon ab 50 km/h ausgeformt. Durch Luftauslässe in der Fronthaube wird der warme Luftstrom um die Fahrerkabine geleitet. Über den Ansaugtakt auf dem Dach gelangt ungehindert Frischluft zum Motor. Aktive Lüftungsschlitze in den vorderen Radkästen erhöhen den Anpressdruck. Die vertikale Hai-Finne auf dem Heck verhindert Strömungsabriss und verbessert so die Kurvenstabilität. Je nach Fahrprogramm kann der One vorne automatisch um 20 und hinten um 37 Millimeter tiefer gelegt werden, was den Anpressdruck sowie die Aeroeffizienz verbessert. Umgekehrt funktioniert es auch: Um zum Beispiel im Parkhaus nicht aufzusetzen, lässt sich die Bodenfreiheit erhöhen.

Der Verbrenner ist unter zwei abnehmbaren Karbon-Abdeckungen verborgen, die Türen öffnen sich schräg nach vorne und oben, und das Abgas-Endrohr wurde direkt von den F1-Boliden übernommen. Aber der One ist nicht nur ein Rennwagen, und so kommt auch der Komfort im Zweisitzer nicht zu kurz: Dank elektrischen Fensterhebern, USB-Anschlüssen, Klima, Sichtkarbon, Nappaleder und zwei Zehn-Zoll-Displays für Digital-Instrumente und Infotainment. Die Sitze sind fest montiert, aber das Lenkrad lässt sich elektrisch und die Pedalerie in zwölf Stufen manuell auf die Körpergrösse des Fahrers einstellen. Da der direkte Blick nach hinten versperrt ist, ersetzt ein kleiner Bildschirm den Innenspiegel.

Jetzt noch zum Garagisten zu spurten ist übrigens zwecklos: Die 275 Stück des One sind längst verkauft. Laut Mercedes-AMG an Kundinnen und Kunden, die den One nicht nur in die Sammler-Garagen stellen, sondern auch fahren. Das ist ihnen umgerechnet 2,7 Millionen Franken (vor Steuern und Verzollung!) wert.

bottom of page